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Stein des Anstosses

15. Januar 2013 | > Sinsheim, Das Neueste, Politik

(zg) Die Autobahnpolizei Sinsheim wird dieses Jahr endgültig im Zuge der umstrittenen Polizeireform, ebenso wie die Kriminalaußenstelle aufgelöst. Schon in den 1990er Jahren sollte die Autobahnpolizei Sinsheim nach Walldorf verlegt werden.

Durch ihre Aufsehen erregenden Fahndungserfolge (jährlich über 400 Festnahmen), Kontrolle von Tiertransporten und Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität (ein Streifenbeamter unterrichtete in den Polizeischulen Freiburg und Wertheim junge Beamte) sowie einer ständigen Nachbarschaftshilfe für das Polizeirevier in der Stadt,  in Verbindung mit einer freien Pressearbeit, kannte die Bevölkerung die erfolgreiche Arbeit der Autobahnpolizei. Der damalige „Polizeireporter“ der RNZ und Feuerwehrmann Michael Endres war bei schweren Unfällen und besonderen Vorkommnissen immer vor Ort und berichtete darüber.  Heute erfolgt die Pressearbeit ausschließlich von der Polizeidirektion Heidelberg. Entsprechend „dünn „, wenn überhaupt, sind die Polizeiberichte. Was interessiert in Heidelberg oder später vielleicht in Mannheim ein besonderes Vorkommnis in Sinsheim, wenn sie selbst mehr als genug davon haben.

Nach Bekanntwerden der Absicht, die Autobahnpolizei Sinsheim aufzulösen, geschah etwas Unvorstellbares. Die Bevölkerung rebellierte regelrecht. Hermann Broglin vom Autohaus Broglin nahm den Kampf gegen die Auflösung der Polizeidienststelle generalstabsmäßig in die Hand. In praktisch allen Geschäften in Sinsheim und Umgebung lagen Unterschriftlisten auf. Es beteiligten sich der Werbekreis Sinsheim, die Schulen, Behörden, ganz besonders das Kreiskrankenhaus Sinsheim, Kollegen des Polizeireviers, der Kripo, der Polizeidirektion Heidelberg, die ganze Region Sinsheim und darüber hinaus bis Heidelberg und Bad Rappenau. Die Fa. Späth aus Bad Rappenau und der dortige Polizeiposten sammelten fleißig Unterschriften. Selbst aus Mosbach und Buchen wurden uns Unterschriftlisten zugesandt. Täglich wurde der Stand der Unterschriften in Fettdruck in großen Ziffern  im Text der RHEIN-NECKAR-ZEITUNG abgebildet.

Fred Frank vom Seniorentreff im Auto+Technik Museum hatte eine besondere Idee. Er wollte die gesammelten Unterschriften im Beisein der BILD-Zeitung an den Revierleiter übergeben. Es war an einem Sonntagmorgen als ich einen Anruf meiner Dienststelle erhielt.

Ich möge doch in Uniform zum Revier kommen. Ein Mann wolle Unterschriften übergeben und BILD-Reporter wären ebenfalls dabei. Nach kurzem Zögern warf ich mich in die Uniform und fuhr zur Dienststelle. Ein oder zwei Tage später erschien in der BILD-ZEITUNG ein großer Bericht mit einem Foto der Übergabe der Unterschriften. Die Überschrift in großen Lettern lautete: „Eine Stadt kämpft um ihr Revier.“

Alois Mohr, ein ehemaliger Polizeiangehöriger, sammelte Unterschriften von Prominenten, unter anderem von Beate Weber der damaligen Oberbürgermeisterin von Heidelberg. Diese rief extra den damaligen Sinsheimer OB D. Horst Sieber an, ob er etwas dagegen hätte, was dieser natürlich verneinte. Der damalige Pfarrer Bender von Adersbach veranstaltete einen Abend seiner Kirchengemeinde nur mit dem Titel: „Pro Autobahnpolizei Sinsheim. Die Autobahnpolizei Sinsheim muss bleiben!“

Bei meinem Vortrag erwähnte ich, dass ich sogar mit dem Teufel einen Pakt schließen würde. Als Pfarrer Bender die Stirn runzelte, beruhigte ich ihn und sagte: Natürlich mit dem Ministerpräsidenten Erwin Teufel. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht und auch die Zuhörer waren erleichtert.

Ein ganz besonderer Dank gilt Gerd Zimmermann, ehemals Bürgermeister von Bad Rappenau, Landtagsabgeordneter und Polizeisprecher der CDU-Fraktion im Landtag. Er setzte sich unermüdlich und fortwährend, auch mit langen Schreiben an den Ministerpräsidenten, für den Erhalt des APRev Sinsheim ein. Er machte sogar Vorschläge zur Erweiterung des Zuständigkeitsbereichs bis Untereisessheim und bekam dafür „Prügel“ vom schwäbischen Polizeipräsidenten in Stuttgart bis zu den örtlichen schwäbischen Polizeidienststellen.

Auf meine Bitte hin wurde auch der Polizeisprecher der SPD Fraktion Reinhold Gall mit einer Anfrage an die Landesregierung aktiv. Seine Begründung der Anfrage lautete:

Aus bislang nicht nachvollziehbaren Gründen soll das APRev Sinsheim entgegen allen bisherigen Aussagen des Ministerpräsidenten und des Innenministers geschlossen werden. Die Fülle der Aufgaben für die das APRev Zuständigkeit hat, wird durch den Ausbau der A6, dem Bau eines Bundesligastadions, dem Bau von 200 weiteren Lkw-Parkplätzen an der Raststätte Kraichgau-Süd sowie einer dritten Anschlussstelle in Sinsheim, eher zu denn abnehmen. Deshalb scheint der Erhalt dieses APRev geboten.

Rust, Gall, Heiler, Stickelberger, Junginger

Vermerk: Heute, wir schreiben das Jahr 2012, ist Reinhold Gall der Innenminister von Baden-Württemberg und knallharter Verfechter der umstrittenen Polizeireform. Ich bin immer noch ein scharfer Gegner dieser Zentralisierung. Überspitzt gesagt ist dies so, als wenn alle Fachdienste, Fachärzte usw. nach Heidelberg oder sogar nach Mannheim ausgelagert würden. Ferner werden die Straßen und Autobahnen durch die langen Fahrzeiten der Bediensteten zu ihren weit entfernten Dienststellen und von dort zu den Einsatzorten noch mehr belastet. Ebenso die Umwelt.

Schließlich waren 23650 Unterschriften gesammelt, die dann von OB Dr. Sieber an den Innenminister übergeben wurden.

1997 war das Jahr der Entscheidung. Der Lenkungsausschuss der Polizei im Innenministerium beschloss, dass das Autobahnpolizeirevier Sinsheim aufgelöst werden soll.

Im letzten Moment kam der Inspekteur der Polizei in die Runde und im Auftrag des damaligen Innenministers Thomas Schäuble, der leider jetzt Anfang Januar 2013 allzu früh verstorben ist, gab er bekannt, dass das APRev Sinsheim bestehen bleibt.  Die Autobahnpolizei kam sogar gestärkt aus den Untersuchungen heraus und bekam mehr Zuständigkeiten.

In einer Pressemitteilung, die ich vom SPD-Landtagsabgeordneten Helmut Göschel erhielt, schreibt dieser: „Lieber Herr Skrobanek: „Der „Aufstand“ vor Ort hat sich gelohnt!“ Nicht nur lokal politisch – auch fachlich!

Tatsächlich verkündigte der Innenminister Dr. Thomas Schäuble in einer Zwischenbilanz der Polizeireform: „Mehr Kompetenz und Personal in die Basisdienststellen – Ziel ist die bürgernahe Polizei!“

Weiter heißt es dort: „Da es sich bei rund 70 % der ermittelten Tatverdächtigen um örtliche Täter handle, müsse diese Kriminalität auch zeit- und bürgernah von Beamten vor Ort, mit ihrer ausgeprägten Orts-und Personenkenntnis bekämpft werden. Eine Bekämpfung dieser örtlichen Kriminalität per Ferndiagnose macht keinen Sinn.“

Das Sicherheitsgefühl der Bürger soll erhöht werden.

Nicht zuletzt wegen der Erfolge der Autobahnpolizei Sinsheim bei der Kriminalitätsbekämpfung sollten der Autobahnpolizei neue Aufgaben zugeteilt werden. Das Bild von einer reinen Verkehrspolizei auf den Bundesautobahnen habe sich grundlegend gewandelt. Die Autobahnpolizei sei gerade in der Verbrechensbekämpfung zunehmend gefordert.Die Autobahnen würden sich immer mehr zu „Transitstrecken der Kriminalität“ entwickeln. Immer häufiger stelle man fest, dass zum Beispiel osteuropäische Tätergruppen ihre Einbruchsobjekte gezielt in Autobahnnähe aussuchten, um sich schnelle Fluchtmöglichkeiten zu sichern. In gleicher Weise nutzten auch Schleuserbanden die Bundesautobahnen.

Vor diesem Hintergrund bleiben auch sämtliche Autobahnpolizeireviere erhalten. Damit erteilte Schäuble der von einem externen Gutachter vorgeschlagenen Zusammenlegung der Autobahnpolizeireviere Sinsheim und Walldorf eine Absage.

Die Freude der gesamten Bevölkerung war riesengroß.

Die Autobahnpolizei bedankte sich bei der Bevölkerung mit einem Tag der offenen Tür.

Hermann Broglin ließ die Zahl der Unterschriften von einem Steinmetz in einen tonnenschweren Gedenkstein meißeln, der seit 1997 vor dem Dienstgebäude der Autobahnpolizei steht. Ferner ließ er eine deutsche Eiche bei der Dienststelle pflanzen.

Die Bürokraten und Apparatschiks im Innenministerium gaben aber keine Ruhe. 2004 spannten sie den Innenminister Heribert Rech vor ihren Karren und überzeugten ihn, die Autobahnpolizei Sinsheim aufzulösen. Die gesamte gut organisierte Autobahnpolizei wurde regelrecht zerschlagen. Die drei Autobahnpolizeidirektion im Lande aufgelöst und deren Reviere wurden den örtlichen Polizeipräsidien und Polizeidirektionen zugeteilt, sozusagen als fünftes Rad am Wagen. Fast augenscheinlich wurde dies, als den Autobahnpolizeirevieren VW als Streifenwagen zugeteilt wurden. Dies, obwohl sie seit Bestehen Mercedes als Streifenwagen fuhren. Der Stern war ein Markenzeichen der Autobahnpolizei.

Die jetzige Polizeireform ist das Werk der Bürokraten und Apparatschiks im Innenministerium.. Es ist nicht die Reform der CDU oder der SPD, sondern der Polizei selbst. So sagte es auch unsere CDU-Landtagsabgeordnete Elke Brunnemer, die sich anfänglich sehr stark für den Erhalt der Autobahnpolizei Sinsheim eingesetzt hatte und sogar das leerstehende Verwaltungsgebäude der Autobahnmeisterei als neues Dienstgebäude für die Autobahnpolizei vorschlug. Plötzlich dann machte sie eine Kehrtwendung um 18o Grad und sagte öffentlich zu ihrer Rechtfertigung: „Die Polizei will es ja selber!“

Leider war plötzlich die gesamte CDU- Linie vom Innenminister über die Landtagsabgeordnete bis zum Fraktionsvorsitzenden im Sinsheimer Gemeinderat für die Auflösung des APRev Sinsheim, bzw. hatte nichts mehr dagegen.

Leider ist dies bei der SPD nicht anders. Unsere gewählten Vertreter vertreten oftmals nicht die Interessen ihrer Wähler, sondern beugen sich dem Fraktionszwang.

Politiker wie der ehemalige Landwirtschaftsminister Gerhard Weiser, ein Urgestein der Landespolitik, Gerd. Zimmermann, Dr. Horst Sieber und Helmut Beck sind selten geworden.

Dank gilt auch dem Sinsheimer Gemeinderat der sage und schreibe drei Resolutionen an die Landesregierung mit der dringenden Bitte um Erhalt der Autobahnpolizei gerichtet hat.

Als Reaktion auf die Resolutionen kam der Inspekteur der Polizei aus Stuttgart nach Sinsheim und im Dienstzimmer des Oberbürgermeisters redeten Dr. Sieber und ich eine Stunde lang auf den höchsten Polizeibeamten des Landes ein.

2004 sollte die Autobahnpolizei Sinsheim wieder aufgelöst werden. Wieder gab es einen Sturm der Entrüstung in der Bevölkerung. Wieder wurden von dieser Unterschriften gesammelt, insgesamt unglaubliche 30.000 an der Zahl. Es rankten sich viele Geschichten um das Drama der beabsichtigten Auflösung und eine Flut von Leserbriefen erreichte unsere Zeitungen. Vor allem diese Leserbriefe wären es wert konzentriert nochmals veröffentlicht zu werden.

Es gäbe viele Bürger/-innen namentlich zu erwähnen. Jedoch eine Frau, die insgesamt „zehntausend“ Unterschriften sammelte, möchte ich besonders erwähnen. Es ist Frau Magdalena Fritz, der ich den Beinamen „Mutter Theresa von der SPD“ gab. Diese Frau ist auch sonst sehr stark sozial engagiert. Die Unterschriften sammelte sie bei Fußballspielen des SV Reihen und sonstigen Großveranstaltungen.

Außenstehende können es eigentlich gar nicht begreifen, dass die Bevölkerung sich derart für eine Polizeidienststelle einsetzt, die für sie gar nicht zuständig ist.

Man kann sagen, dass die Aktion und Anteilnahme der Bevölkerung einmalig und die größte Bürgerbewegung ist, die es jemals in Sinsheim gab.

Dem Innenminister Heribert Rech wurde das Zugeständnis abgetrotzt, dass erst nach Fertigstellung der dreispurigen Fahrbahn der BAB von der AS Sinsheim – Richtung Walldorf über das Schicksal der Autobahnpolizei Sinsheim entschieden werden soll. Seine Zusage entsprach nicht der Wahrheit, alldieweil die Entscheidung schon vorher längst gefallen war.

Immerhin ist es der Bevölkerung zu verdanken, dass die Dienstelle nicht 1997 und nicht 2004 aufgelöst wurde. Heute wäre sie notwendiger als jemals zuvor.

Auch der Presse, vor allem der örtlichen Redaktion der RHEIN-NECKAR-ZEITUNG ist Dank zu sagen. Ohne sie wären die ganzen Aktionen nicht an die Öffentlichkeit gelangt.

Die Kriminalaußenstelle wird ebenfalls aufgelöst. Ohne sie wäre der Erfolg der Autobahnpolizei gerade bei der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität nicht möglich gewesen. Das gute Miteinander und die ständige Nachbarschaftshilfe von Autobahnpolizei, Polizeirevier und Kripo wird spürbar fehlen. Die Tagediebe und Räuberbanden, die von weither kommen werden es leichter haben und durch die drei BAB Anschlussstellen haben sie jede Menge Fluchtwege.

Die Auflösung der beiden Dienststellen ist beschlossene Sache. Die Bürokraten und Apparatschiks im Innenministerium berührt das nicht. Es sind Personen des Apparats, deren zentrales oder gar einziges soziales Bezugssystem der organisatorische Apparat ist.

Die beschriebenen Ereignisse gehören heute untrennbar zur „Sinsheimer Stadtgeschichte“.

Zum Gedenken an den unermüdlichen Einsatz und engagierten Volkswillen zur Erhaltung der Autobahnpolizei habe ich die herzliche Bitte, dass der Gedenkstein vor der Dienststelle der Autobahnpolizei nicht der Spitzhacke zum Opfer fällt, sondern am Rathaus im Rosenbeet vor dem alten Polizeigebäude aufgestellt wird.

Quelle: Adolf Skrobanek, ehemaliger Leiter der Autobahnpolizei Sinsheim

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